Sushikritik 4: Westermalms Sushi (Kungsholmen)

Mehr als ein halbes Jahrzehnt nach der letzten Kritik und nach über vier Jahren Aufenthalt in der Neuen Welt ist hier der erste Eintrag aus unserer derzeitigen nordischen Residenz.

  1. Location: Westermalms Sushi
    • Wo: Hantverkargatan 81 (Nähe Fridhemsplan)
    • Achtung: Sonntag und Montag geschlossen, keine Bestellung mehr nach 20.00 Uhr. Kein Thunfisch!
    • Wann: Samstag, 26.10.13, 18.45 Uhr.
    • Anlass: Wollwesen J. muss schluchzend ab jetzt auf unbestimmte (aber hoffentlich sehr begrenzte Zeit) auf rohe leckere Meeresbewohner verzichten und will dementsprechend noch einmal die Geschmacksnerven richtig imprägnieren.
    • Erwartung: Dementsprechend hoch, schließlich war der Sushi auf Yelp extrem gut bewertet worden. Trotzdem war Faultier B. doch etwas nervös…
  1. Das Restaurant:
    • Reservierung: War zumindest an diesem Samstag Abend nicht notwendig.
    • Einrichtung/Design: Das ganze Restaurant besteht im Grunde nur aus einem länglichen Raum. Am hinteren Ende ist die offene Küche (oder eher Kombüse), davor an den beiden Wänden zwei helle Bänke, und etwa ein halbes Dutzend Zweiertische. Alles sehr hell und freundlich. Allerdings ist der erste Eindruck doch aufgrund der Grösse eher der einer Fischbude, was durch den etwas aufdringlichen Fischgeruch, das maritime Logo und die bärtigen Köche noch verstärkt wird.
    • Atmosphäre/Publikum: Gemütlich! Die einzelnen Tische sind ziemlich eng beieinander, was aber nicht unangenehm ist. Unsere Mitesser sind alle ausgehfreudige, gutausehende, kultivierte Beginning-thirties. Eine angenehme Crowd, pretty diverse, man hört auch mal englische Wortfetzen, und – glücklicherweise – zumindest dem Anschein nach keine der schnösligen Upperclass-Yuppies.
    • Raumklima: Durchaus etwas lauter, ab und zu klappert auch mal was in der Küche, oder die Tür steht mal auf, um den Fischgeruch (vergebends) loszuwerden. Die Musik (Jazz? Oder nix?) war angenehm unaufdringlich.
    • Bedienung: Überraschung! Der freundliche Seebär, der uns bediente, sprach exzellentes Deutsch (Auslandsstudium Bremen), kannte sich mit Fisch und der internationalen Sushiszene offensichtlich ausgezeichnet aus, und hat sichtlich Freude an seinem Job. Wow.
    • Wartezeit: Na, das ging schon ziemlich lange. Wohl schon so 30-45 Minuten.
    • Kategorie: Liebhaber-Sushikneipe.
  1. Das Essen – im Detail:
    • Angebot: Rollen, Sushi, Nigiri, Gunkan. Die Auswahl ist eher begrenzt. Wohl wirklich kein Thunfisch (ökologische Gründe, finanzielle, organisatorische?)
    • Unser Menü: 12 Sushi Mixteller aus Nigiri, 6 California-Rolls, die kleinste Sashimi Moriawase, extra Seaweed-Salat.
    • Dekoration/Garnitur/Teller: Einfache Porzellanteller, kein Schnickschnack.
    • Besonderes: Eine eigene, extra geräucherte Sojasauce – super!
    • Tee: Nee, aber wir haben uns eine grosse Karaffe Wasser genommen. (Wurde dafür etwa 35 SEK berechnet? Hmm…)
    • Misosuppe: Kam ohne dass wir sie geordert hätten. War angenehm dick und hatte endlich mal (nicht üblich in Schweden leider) sogar ein oder zwei Tofustückchen.
    • Seaweed-Salat: Frisch, lecker, sehr gut.
    • Ingwer/Meerrettich: Der Ingwer schmeckte etwas seltsam und fiel bei J durch. Auf dem Meerrettich ist das Logo gestempelt – nett.
    • Sushi:
      • Röllchen-Grösse: Eher gross.
      • Röllchen-Konsistenz: Zwar war der Reis in Ordnung, aber die Röllchen zerfielen völlig, oje.
      • Röllchen-Kaviar: Leider nicht vorhanden.
      • Röllchen-Overall: Ein klassisches Missverständnis. Wo California-Roll draufsteht, ist halt auch mal was anderes drin. Anders ausgedrückt, it´s a feature, not a bug. Statt Krabbenersatz (oder Lachs) gab´s echte Krabbe (Rök?) – aber gekocht! Da fehlt dann leider im Mund das Aha-Erlebnis, das man so sehnsüchtig erwartet hatte (aber die Avocados waren wunderbar).
      • Nigiri: Der Fisch zart und glänzend frisch, aber leider zu dünn geschnitten und die Nigiris zu klein für unsere mittlerweile wohl USA-verweichlichten Zungen. Ausserdem ist da doch immer wieder ein bisschen Sauce auf dem Fisch zu finden – für uns Puristen leider ein klassischer faux pas.
      • Sashimi: Hammer!!! Frischer geht´s nicht. Und mit J.´s entrücktem Gesichtsausdruck fielen dann B. endlich auch ganze Steinlawinen vom Herzen. Für den richtig dick geschnittenen Lachs allein hat sich der Besuch gelohnt.
  1. Das Essen – insgesamt:
    • Satt?: Nun ja, diese Frage hat vor sechs Jahren noch mehr Sinn gemacht, heutzutage kann (und will?) man sich das nicht mehr leisten.
    • Fazit-Fisch: Sashimi einfach sensationell (puh!), Nigiri in Ordnung, die Rolle ein Reinfall.
    • Fazit-Reis: Befriedigend.
    • Fazit-Essen: Nachdem wir uns von dem California-Roll-Schock erholt hatten, waren wir nach dem Sashimi im 7. Himmel.
  1. Das Finanzielle:
    • Konkreter Preis (inkl. Trinkgeld): 325 SEK ohne, 350 SEK mit Trinkgeld (shame on me, da war ich etwas knausrig). Für zwei Personen sind das umgerechnet 40 Euro. Für Sushi am Samstagabend in Stockholm wirklich fast ein Schnäppchen.
    • Empfehlung: Unbedingt das Sashimi nehmen! Selbst für nur 80 SEK bekommt man schon sechs Stück Wahnsinnsfisch.
    • California-Inside-O-Meter: 6 Stück = 75 SEK = 8 Euro.
    • Preisklasse: Mittelfeld für Stockholmer Verhältnisse. Genauer: Teuer für Billigsushis, billig für Edelsushis.
    • Preis-Leistungsverhältnis: Gut!
  1. Also, wie wars?:
    • Fazit-Gesamt: Eine Oase in der Stockholmer Einheitssushiwüste. Das kleine, eigenwillige und engagierte (rein schwedische?!) Küchenteam bekommt unsere volle Empfehlung. Und da kann man über manchen Spleen gerne hinwegsehen. Was für ein Sashimi!
    • Top: Bevor man um die Häuser zieht.
      Flop: Wenn man unbedingt mal wieder typisches Sushi essen will.
    • Persönliches Fazit: S a s h i m i – lechz!
    • J. hat das letzte Wort: Hoffentlich muss ich nicht all zu lange verzichten …
  1. Top-Ten-Wertung: — (gefühlt: Untere Oberklasse)
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